Grenzraum (Auszug)
Beatrix Kramlovsky
Dabei dauerte es gar nicht so lange, ich war ja von Anfang an dabei. Ich erinnere mich an Demonstrationen, zeitgleich rund um den Globus, sodass alles stillstand, innerhalb einer Woche zusammenbrach. Ein soziales Erdbeben, 2048 frohlockend! Ja, ich gebe zu, wir mussten demokratische Grundrechte einschränken. Regierungen, die aus Wissenschaftlern bestehen, erfreuen sich bei der Klientel begabter Populisten keiner Wertschätzung. Aber das brauchte ich in meiner Rede nicht wiederzukäuen. Das ist Teil unserer kollektiven Erinnerung.

(...)

Freedom, geboren 2071
  Sie glaubt, sie habe alles im Griff und alles ist gut. Ich weiß nicht, ob das momentane System das effektivste ist. Ich bin 27 Jahre alt, das Clanleben in Großmutters Burgsystem hat mir eine schöne Kindheit beschert. Trotzdem will ich weg. Es hat nichts mit Sergio zu tun, aber viel mit Magnus und seinen politischen Überzeugungen. Wir laufen einer Vision nach, die in den Jahren der Krise unterdrückt wurde. Das mag vor drei Jahrzehnten klug gewesen sein, doch nun sehne ich mich nach Freiräumen, die eine liberale Demokratie ermöglicht. Natürlich freue ich mich, dass die neuen Kreuzungen der alten Arten aus der italienischen Basilicata so hervorragend hier funktionieren. Es hat schon vor achtzig Jahren im südlichen Burgenland beachtlich geklappt. Magnus sucht seit Monaten eine Region, in die wir auswandern dürfen, in der das politische System Freiheiten erlaubt, die hier Angst schüren. Ich liebe das Weinland, die jungen Laubwälder, das Steppenland rund um die hängenden Gemüsegärten im Norden der Zwillingshauptstadt, aber ich halte diese rigide Bevormundung nicht mehr aus. Mutter wird explodieren, wenn sie es erfährt.


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